Ultimatum
Lange verharrte der Blonde unter der Dusche. Die meiste Zeit saß er auf den kalten Fließen, lauschte dem Plätschern des Wassers und dachte nach. Noch immer konnte er das Stechen in seiner Brust spüren, das dieser so einfache Satz von Lan ausgelöst hatte. Er war mittlerweile sogar kurz davor sein ganzes Bemühen aufzugeben!! Auch wenn alles in ihm für Lan entflammt war konnte er diese ständigen Schläge ins Gesicht nicht mehr ertragen! Er wollte sich nicht von einem Menschen so kaputt machen lassen. Er würde die ganze Sache dem Zufall überlassen. Wenn der nächste Tag mit Lan mit etwas erfreulichem würde enden, dann würde er sich weiterhin voll und ganz auf die Sache einlassen und kämpfen bis er den Rotschopf endlich als seinen Freund bezeichnen konnte, doch würde der Tag in einem Desaster enden oder für ihn wieder ein Stich ins Herz sein würde er die ganze Sache endgültig auf Eis legen und sich wieder voll und ganz seiner Schauspielerei widmen.
Mit diesen mit sich selbst geschlossenen Kompromiss stieg Miquel aus der Dusche und griff nach einen Handtuch. Er würde sehen wie die Sache sich entwickelte und natürlich hoffte er für sich selbst das Beste!!!
Mit einen Handtuch um die Hüften begab er sich in Richtung Wohnzimmer. Sein Blick glitt durch den Raum. Weder seine Schwester, sein Bruder noch Lan waren da! Das seine Eltern nicht da waren war nicht so verwunderlich, immerhin arbeiteten die Beiden. Seufzend ließ er sich auf der Couch nieder. Wenn keiner da war musste er sich auch nichts anziehen! Seine Hand glitt zur Fernbedienung und er stellte den Wunderkasten an. Es war immerhin, Miquel blickte zur Uhr an der Wand, gleich vier Uhr Nachmittags, das hieß, dass gleiche seine Lieblingssendung laufen würde. Normalerweise sah er sich diese jeden Tag mit seinen Bruder an – er war auch der einzige in der Familie der neben ihm den Humor dieser Serie verstand – doch Enrique schien nicht hier zu sein.
Eine Stunde lang amüsierte sich der Spanier köstlich. Dieser Humor er war so einzigartig und erstklassig. Die Serie lief aus und der Blonde gähnte herzhaft. Er würde es sich gemütlich machen und etwas vor sich hin dösen. Gesagt getan, schon war er im reich der Träume verschwunden, doch aus dem leichten dösen wurde ein fester Schlaf.
Lachend betraten Lan, Isabella und Enrique die Wohnung der Marquez. Sie waren spontan alle zusammen ins Kino gegangen. Enrique hatte die Lust gepackt und so hatte er alle, die in der Wohnung waren gefragt ob sie mitkommen würden. Alle, alle außer Miquel, denn Enrique war zu faul gewesen bis zum Bad zu gehen und ihn zu Fragen. Zum Bad, das direkt neben der Wohnungstür war. Aber der Blonde hatte noch einen anderen Grund gehabt um Miquel nicht zu fragen: Er war der Einzige der drei Geschwister, der kochen konnte.
Mit einem starken Hungergefühl reckte Enrique die Nase in die Höhe um zu erraten, was sein Hermano in seiner Abwesenheit wohl gezaubert hatte, immerhin würden ihre Eltern in einer halben Stunde da sein und dann sollte – so lautete die Abmachung – immer etwas warmes auf dem Tisch stehen. Doch er roch nichts! Hieß das etwa Miquel hatte nicht gekocht? Was hatte er dann in den letzten Stunden gemacht? Und wo steckte er jetzt?
Murrend lief Enrique tiefer in die Wohnung. Sah in die Küche und in das Zimmer seines Bruders, doch da war niemand. Letztlich nahm er sich das Wohnzimmer vor und fand seinen Bruder schlafend. Der Ältere schob eine Augenbraue nach oben und knurrte leise. Da nahm er seinen kleinen Bruder schon extra nicht mit ins Kino und was tat der währenddessen? Er machte sich einen Lenz und hielt es nicht mal nötig zu kochen! „Miquel!“, fuhr er seinen Bruder an, der vor Schreck beinah von der Couch fiel. Verschlafen und verwirrt blickte er in die Iriden seinen Hermanos. „Was ist los?“, fragte er in seiner Muttersprache und gähnte herzhaft. „Warum zum Teufel liegst du hier und schläfst? Unsere Eltern kommen bald! Du hättest schon lang kochen können!“, zischte Enrique und machte dabei auch vom spanisch Gebrauch. „Ich war vorhin trainieren! Tut mir ja Leid, dass ich daraufhin ausgepowert war! Außerdem hätten du oder Isabella auch kochen können!“ - „Wie denn? Ich hab doch alle zum Kino eingeladen!“ - „Alle? Mich nicht!“ - „Na das hatte seinen Grund! Du solltest kochen, was du aber nicht getan hast! Also schwinge deinen Hintern jetzt in die Küche und mach was! Ich hab Hunger!“ - „Träum weiter!“, zischte der Jüngere und begab sich in sein Zimmer, wobei er seine Schwester und Lan passierte. Was zur Hölle war er? Der Koch? Enrique hätte auch auf die Idee kommen können was beim Boten zu bestellen oder einfach etwas mitzubringen, wenn er so oder so zu viel Geld hatte.
„Was haben sie gesagt?!“, fragte Lan seine beste Freundin. „Ach Enrique hat sich nur beschwert, dass Miquel nicht gekocht hat.“ - „Das kann ich ja tun!“, warf der Rotschopf ein und lächelte. „Lan!“, hauchte Enrique ihm plötzlich sinnlich ins Ohr und hob den Kleineren hoch und trug ihn sofort in Richtung Küche. „Na dann leg mal los!“, sprach er als ihn vor dem Herd abgesetzt hatte. „Madre und Padre kommen bald, bis dahin musst du fertig sein!“ - „Eh.. okay?!“, antworte Lan und fühlte sich etwas überrumpelt. Er hatte nicht erwartete so schnell hinter dem Herd zu stehen, aber okay, dann kochte er eben!
Juanita und Manuel Marquez betraten die Wohnung und der Geruch von Essen schlug ihnen entgegen, doch es war nicht der übliche Duft, der nach Heimat roch, es ein typisch amerikanischer Essensgeruch. Miquel hatte dieses mal nicht gekocht, dass war klar.
Neugierig blickte Juanita in die Küche und lächelte als sie die Person hinter dem Herd erblickte. „Wusste ich doch, dass du heute gekocht hast!“ Lan sah auf und erwiderte das Lächeln. „Ist gleich fertig, ihr könnt euch ruhig schon mal setzten!“ - „Brauchst du Hilfe?“ - „Nein, nein. Ich bin gleich fertig!“
Die gesamte Familie Marquez und Lan aßen das was der Rothaarige gekochte hatte. Die gesamte Familie? Nein, wieder einmal war es Miquel der fehlte. Dieser war noch immer auf seinen Zimmer, da ihn keiner darüber informiert hatte, dass es Abendbrot gab. Als alle satt waren und sich einfach nur noch unterhielten stieß auch Miquel zu ihnen in die Küche, der gleich erstmal eine Augenbraue nach oben zog. Doch bevor irgendwer etwas zu ihm sagen konnte machte er auf dem Absatz kehrt und ging zurück in sein Zimmer.
„Miquel ist gar nicht bei Camilo!“, fragte Mutter Marquez und sah in die Runde. „Nein, hat auch niemand behauptet.“, antwortete Isabella und sah ihre Mutter an. „Warum hat er dann nicht mit gegessen?!“, zischte die Frau und erhob sich um ihren Mittleren aus dem restlichen Essen noch etwas herzurichten, doch hatten sie so viel gegessen, das die sich ergebende Portion lächerlich gering war.
Seufzend ging Madre zum Zimmer ihres Sohnes, klopfte an ehe sie in den Raum trat und damit das freudige Gelächter aus der Küche mit in hinein brachte. „Was gibt’s Madre?!“, fragte der Blonde, der auf den Bett lag und zu seiner Mutter sah. „Ich wollte dir noch etwas zu Essen bringen. Nach diesem Missverständnis!“, sprach sie sanft lächelnd und trat näher zum Bett heran. „Danke, Madre, aber ich hab keinen Hunger.“ - „Miquel, du musst aber was essen!“ - „Später, wenn ich dann Hunger habe...“ Seufzend stellte sie den Teller auf den Nachtschrank und wand sich zur Tür zu, an der sie noch einmal kurz inne hielt. „Lan hat gekocht, nur damit du es weißt...“, mit diesen Worten verließ sie den Raum und Miquel seufzte. Sein Magen knurrte laut und wollte dem Blonden damit sagen, dass er doch einfach nach dem Essen greifen sollte, doch er drehte sich nur genervt zur Seite und kehrte dem Essen damit den Rücken. Langsam reichte es ihm wirklich! Warum war er eigentlich immer derjenige der zurückgelassen, vergessen oder nicht gewollt wurde?
Das Essen unbeachtet verließ er sein Zimmer, passierte kurz die Küche, verkündete, dass er noch mal weg ging und zog sich Schuhe an. Er würde halt einfach zu Camilo flüchten, wäre ja nicht das erste Mal.
„Schmeckt dir mein Essen nicht?!“, ertönte Lans Stimme hinter ihm, als er die Wohnung gerade verlassen wollte. „Ich hab es nicht mal probiert..“, antwortete Miquel und mied es dem Rotschopf anzusehen. Seine Laune war zu sehr am Boden, als das er sich jetzt auch noch mit Lan anlegen wollte. „Ach so... und deswegen rennst du jetzt weg?“ - „Ich will einfach nur zu meinen Cousin.“ - „Willst du ihn flach legen?“ Jetzt sah Miquel auf und musterte den Jüngeren. „Was? Denkst du von mir, dass ich dir nachrenne und gleichzeitig mit Camilo ins Bett steige?“ - „Ja, natürlich! Und nicht nur mit dem!“ - „Entschuldige, aber ich bin nicht Mitch!“ Das war zu viel für den Rotschopf, also ohrfeigte er Miquel so heftig wie er nur konnte. Der Blonde sah zum Boden und fühlte sich als würde eine Welt für ihn zerbrechen. „Danke... das war es dann...“, flüsterte er und wand sich zum gehen ab. Somit war sein für sich selbst gesetztes Ultimatum entschieden. Die Schauspielerei hatte gewonnen.
Verwirrt sah der Smith den Blonden hinterher. Wie das war es jetzt? Was meinte er damit?
Eine Woche war seit der Ohrfeige vergangen und Miquel hatte sich in der Zeit in seinem Verhalten grundlegend verändert. Er vermied es mit Lan länger als zehn Minuten zusammen in einem Raum zu sein und kam es vor, das sie doch einmal länger zusammen waren sprach er nur das Nötigste mit ihm. Er war im allgemein sehr viel distanzierter, so hatte er aufgehört um Lan zu werben oder gar mit ihm zu flirten.
Aber auch in anderen Punkten hatte er sein Verhalten geändert. Miquel verbrachte unheimlich viel Zeit in seinem Zimmer. Er kochte zwar für die Familie, aß aber nicht mit und auch Camilo gegenüber verhielt er sich, wie zum Rest seiner Familie auch, sehr distanziert.
Lan war von der ganzen Entwickelung alles anderes als begeistert. Irgendwie hatte es ihm gefallen so umworben zu werden. Gut er hatte sich andauernd darüber beschwert und sich Miquel gegenüber auch nicht gerade vorbildlich verhalten, doch dies ganze Aufmerksamkeit hatte er sehr genossen.
Schließlich hatte die Familie Marquez am Ende der Woche in einen Krisenrat zusammen gesetzt, an dem auch Lan und Camilo teilnahmen, um Miquels Entwicklung auszuwerten, der natürlich als einziger nicht anwesend war. Lan war sich jedoch nicht ganz sicher, was er dabei sollte.
„So kann es nicht mit ihm weitergehen!“, mit diesen Worten eröffnete Juanita die Runde und schlug mit der Faust auf den Tisch. Das Verhalten ihres mittleren Kindes macht ihr Sorgen. Miquel war kein Mensch, der sich von allen abkapselte, doch genau das Tat er im Moment. „Vielleicht sollte einfach Lan mit ihm reden? Vielleicht hat er einen besseren Draht zu ihm als wir!“, warf Manuel ein und sah zu dem betroffenen, der gleich mit einem: „Was? Warum gerade ich?“ antwortete. „Ich mein.. mit mir redet er in letzter Zeit doch auch nicht mehr sonderlich viel..“ Lan sah auf die Tischplatte vor ihm. Er war sicher nicht die Lösung des Problems. Er vermutete eher, dass er es war, der für den Zustand verantwortlich war. Deutlich hatte er noch das 'das war es dann' im Ohr, das Miquel nach der Ohrfeige zu ihm gesagt hatte.
„Ich bin Padres Meinung!“, sprach Enrique und sah zu dem besten Freund seiner Schwester. „Du kommst wohl noch am ehesten an Miquel heran, als irgendwer von uns. Zumal wir es alle schon probiert haben! Jeder auf seine Art und Weise.“ Enrique warf einen Blick zu Camilo, der laut Seufzte, denn auch dessen Bemühungen und süße Versprechungen waren an Miquel einfach nur abgeprallt. Auch wenn es besser war das nicht weiter im Detail zu besprechen, denn immerhin wussten ihre Eltern nichts von dem gelegentlichen Tête-à-tête der Beiden Cousins, was ja bekanntlich sehr, sehr vertraut war.
„Gut beschlossene Sache!“, grinste Juanita und erhob sich. Bestimmend zog sie den Rotschopf zu Miquels Zimmer, öffnete dieses und schubste ihn herein. „Was? NEIN!“, rief dieser, doch da war die Tür schon zu und abgeschlossen. „Das kannst du nicht tun! Hey!“, doch niemand antwortete ihm. Seufzend drehte der Rotschopf sich um und ließ seinen Blick schweifen. Miquel lag auf dem Bett, schrieb irgendetwas in ein Notizbuch und hörte über Kopfhörer Musik, also zumindest kein Wunder, dass er ihn noch nicht bemerkt hatte. Das war das erste Mal, dass Lan wirklich bewusst im Zimmer von Miquel war. Zwar war er immer mal kurz drin gewesen, doch er hatte sich nie wirklich die Zeit genommen sich bewusst umzusehen. Im fiel der kleine Fernseher auf, der am Fuße des Bettes stand, zusammen mit dem flachen DVD-Player und der handvoll DVD's, die auf ihm lagen.
Miquels Schreibtisch war ein reinstes Papierchaos von zerknüllten Papier und aufgeschlagenen Zeitungen. An seinen Wänden hingen Zeitungsausschnitte einer spanischen Zeitung, auf den schwarzweiß Bildern dazu Lan den Zimmereigentümer erkennen konnte und ein Poster der Band 'Pereza'. Noch nie hatte der Jünger von denen gehört, aber vielleicht gab es die ja auch nur in Europa und die waren nicht gut genug um über den großen Teich bis nach Amerika zu kommen, doch vielleicht sollte er sich an dieser Stelle nicht zu weit aus dem Fenster hängen.
Mut schöpfend näherte sich Lan dem Bett und wartete noch einen Moment, bis er Miquel anstupste. Dieser fuhr leicht zusammen, während er verwirrt auf den Jüngeren starrte. Er nahm die Kopfhörer aus den Ohren bevor er fragte: „Was gibt’s?“ - „Wie geht es dir?“ Lan war sich nicht sicher, was er sagen sollte, also versuchte er es mit Smalltalk. „Blendend!“, antwortete Miquel und kaum hatte er ausgesprochen knurrte sein Magen zur Untermalung. „Sieht mir aber nach Hunger aus...“, murmelte der Jüngere und ließ sich auf der Kante des Bettes nieder. „Ach was.“, war das einzige was der Blonde dazu sagte bevor er sich wieder seinen Aufzeichnungen zu wand. „Was ist das?!“, neugierig beugte sich der Kleinere näher zu dem Notizbuch, in dem Bereits eine Menge Zeitungsartikel und darüber hinaus auch noch zusätzliche Seiten eingeklebt wurden waren und somit auch näher zu Miquel.
„Der Anfang meines Lebenswerkes!“, antwortete der Marquez und sah zu Lan. Lan der lesen wollte was da stand stockte als er kein Wort entziffern konnte. War ja klar, dass es in spanisch geschrieben war! Gerade jetzt wünschte sich der Rotschopf, dass er mal in der Schule besser aufgepasst und nicht die ganze Zeit nur seinen Spanischlehrer angestarrt hätte.
„Lan... was willst du hier?!“, fragte Miquel der sich keinen Reim darauf machen konnte, was der Jüngere hier zu wollen schien. „Mit dir reden... zumindest soll ich das.. und irgendwie bleibt mir auch keine anderes Wahl.. ich.. wir.. sind eingeschlossen!“ - „Madre?!“ - „Ja..“ Miquel stöhnte genervt auf. Das war ja mal wieder so typisch seine Mutter!
„Dann sitzen wir hier die nächsten Stunden fest...“ Der Blonde packte sein Notizbuch zusammen und wollte es zurück in den Nachtschrank legen, als ein Zettel heraus fiel. Lan konnte seinen Namen erkennen und bückte sich deswegen danach, doch Miquel war schneller als er und so streiften sich lediglich ihre Hände.
Erschrocken blickte der Jüngere Miquel an. Es war wie ein Stromschlag gewesen, als er ihn berührt hatte. Ein intensiver Stromschlag tief in seinem Herzen. Lan verstand das nicht. Wo kam das denn auf einmal her?
„Willst du was spielen? Ich hab Silent Hill hier oder eher ein Autobahnspiel? Ich hab auch noch Tekken zu bieten.“ Verdutzt sah Lan in die blauen Iriden. Hatte Miquel den Schlag denn nicht gespürt?
Und ob er ihn gespürt hatte, wie er ihn jedes Mal spürte wenn er Lan berührte. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals. Alles in ihm schrie nach Lan, nach einer weiteren Berührung. Er hatte versucht sich in der letzten Woche auf Abstand zuhalten, doch genutzt hatte es ihm gar nichts. Die Sehnsucht nach dem kleinen Rotschopf hatte ihn beinah aufgefressen. Er konnte nichts essen, nicht schlafen, geschweige denn auf irgendetwas konzentrieren. Statt seiner Notizen für Schauspielerei hatte er sich immer wieder dabei erwischt, wie er Lans Namen geschrieben hatte und vor zwei Tagen war er ihm sogar bis nach Hause gefolgt.
Er hatte nicht schlechte gestaunt, als er bemerkt hatte in welchen Verhältnissen Lan lebte. Er wohnte im reichsten Viertel der Stadt und noch dazu in einem riesigen Haus. Eigentlich hatte Miquel an dieser Stelle umdrehen wollen, doch die Neugier hatte hatte ihn näher heran getragen und so hatte er ihn aus einem Versteck heraus beobachtet und sogar herausgefunden, welches Zimmer Lans war. Die halbe Nacht hatte er einfach nur da gestanden und nach oben zu dem Fenster gestarrt. Als er schließlich in den frühen Morgenstunden nach hause gekommen war hatte Enrique ihn natürlich erwischt. Doch hatte er nicht mit dem Älteren reden wollen und war einfach nur zu Bett gegangen in dem er dann immerhin eine Stunde geschlafen hatte, bevor er zur Schule aufgebrochen war.
„Tekken klingt gut..“, murmelte Lan und musterte den Älteren, der die Konsole und das Spiel vorbereitete. Zu gern würde er wissen was auf dem Zettel gestanden hatte. Er hatte seinen Namen gelesen, da war er sich ganz sicher. Doch war er nicht dazu gekommen mehr zu lesen, zu schnell hatte der Marquez den Zettel weg genommen.
„Hier..“, Miquel reichte Lan den Controller und ließ sich selbst am Rand des Bettes nieder. Während der Blonde seinen Kämpfer bereits gewählte hatte, sah Lan den Älteren einfach nur an. Warum verhielt sich er sich ihm gegenüber plötzlich so anders? War es wirklich wegen der Ohrfeige? Nur deswegen?
„Bist du so.. anders... weil ich dich geohrfeigt habe?“, murmelte Lan und lenkte damit die Aufmerksamkeit des Blonden auf sich. „Nein, nein! Wähl deinen Spieler!“ - „Du lügst miserabel!“, murmelte Lan und sah in die Blauen Augen, die an ihm vorbei sahen. „Jetzt mach schon!“, beharrte der Blonde auf die Spielerauswahl und ignorierte dabei Lans Aussage „Ich mach ja schon...“, seufzte Lan und wählte seinen Spieler.
Sein Blick wanderte kurz danach wieder zu Miquel, der Stur auf dem Bildschirm starrte. Sie spielten eine geschlagene Stunde und keiner von ihnen sprach in dieser Zeit auch nur ein Wort. Lan besiegte Miquel mehrmals, doch richtig darüber freuen konnte er sich nicht. Der Blonde war es schließlich, der das Wort erhob: „Ich werde dir nicht mehr nachrennen. Ich hab kapiert, dass du mich nicht willst und mich auch nicht sonderlich leiden kannst. Also freue dich..“ - „Was?... aber...“ Miquel sah den Jüngeren an. „Warum so schockiert? Das ist doch das was du immer wolltest. Ich dachte du machst Freudensprünge...“ Lan stutzte. Ja, warum war er eigentlich nicht froh darüber? „Es.. ich.. Es tut dir aber nicht gut!“ - „Ich komm klar..“ Miquel seufzte ehe er den Blick ab wand. „Weißt du.. es ist verdammt schwer... dir so gegenüber zu sitzen... deine Gegenwart zu spüren...“, flüsterte er und seufzte erneut. „Und dann bist du auch noch so unbeschreiblich hübsch..“
Lan konnte spüren wie ihm die Röte in das Gesicht kroch. Dieses Kompliment machte ihn unheimlich verlegen. „Aber.. war das jetzt.. etwas keine Anmache?“ - „Nein.. nur ein einfaches Kompliment!“, lächelte der Blonde, hob zögernd seine Hand und strich dem kleinen schließlich über die Wange, zog sich aber gleich wieder zurück. Er musste sich jetzt zurück halten. Er wollte nicht über Lan herfallen, obwohl er wirklich geneigt dazu war es einfach zu tun. Er musste sich selbst beherrschen.
„Danke...“, flüsterte Lan und wollte Miquel auf die Wange küssen, doch dieser drehte gerade seinen Kopf und so legten sich ihre Lippen aufeinander. Der Kuss dauerte keine zwei Sekunden und war nicht mehr als eine flüchtige Berührung. „Tut mir Leid!“, rief Lan sofort und schlug sich schlagartig beide Hände auf den Mund. Er wollte Miquel nicht küssen. Es war ihm ausgesprochen peinlich, doch das war nicht der Grund warum sein Gesicht plötzlich noch röter war als zuvor. Noch etwas anderes beunruhigte ihn und trieb ihn die Charmesröte ins Gesicht. Es war der Gedanke Miquel erneut küssen zu wollen. Was war den nur mit ihm los? Lag es daran, dass Miquel ihn in den letzten Tagen so sehr ignoriert hatte? Weil ihm aus den Weg gegangen war und ihn nicht mehr mit seinen Gefühlen überschüttet hatte? Sehnte sich Lan deswegen jetzt danach? Nein, es lag daran, das der Rotschopf in den letzten Tagen, in der Zeit in der er dachte, dass Miquel hätte sich von ihm abgewandt, gemerkt hatte wie sehr er eigentlich jeden noch so kleinen Moment mit dem Marquez genoss. Zwar strengte er sich erst seit kurzem an Miquel in einem anderen Licht sehen zu wollen, doch in der kurzen Zeit gab es schon so viel wunderbare Momente, die er einfach nur genossen hatte.
Miquel leckte sich über die Lippen, ehe er lächelte. „Das ist mehr als ich mir je erhofft habe..“, flüsterte er und bot Lan einen weiteren Kampf an, den dieser stumm nickend an nahm.
Nachdem die Beiden sich nun schon geschlagene drei Stunden im Zimmer eingeschlossen befanden, lagen sie nun auf dem Bett und schauten eine DVD. Nach einer halben Stunde hatte Lan damit begonnen den Blonden zu beobachten. Mit welcher Hingabe der Ältere auf den Bildschirm sah. Wie seine Augen die Schauspieler fixierten und ihr tun analysierten. „Schauspielerei ist wirklich dein Traum, was?!“ Miquel sah auf und lächelte. „Mein Traum? Ja. Und wie! Und ich hoffe, das er auch in Erfüllung geht!“ - „Das ist wundervoll!“
Lan richtete sich leicht auf und sah Miquel in die Augen. Die Art und Weise wie der Blonde seine Ziele verfolgte beeindruckten ihn. Ihn war schon lange die Beharrlichkeit aufgefallen mit der an eine Sache heran ging. Noch nie hatte er den Marquez etwas halbherzig tun sehen, seit dem er ihn kannte. Langsam beugte Lan nach vorn und legte seine Lippen zaghaft auf die von Miquel.
Ungläubig weiteten sich die Augen des Älteren. Träumte er gerade? Er musste träumen, denn er kannte diesen Traum nur zu gut! Instinktiv erwiderte der Blinden den Kuss. Es konnte die erste und letzte Gelegenheit sein, die sich ihm bot einen richtigen Kuss von Lan zu ergattern. Lan schnurrte, als Miquel begann den Kuss aufzunehmen. Der Ältere beugte sich ihm entgegen, ließ seine Hand langsam in den Nacken des Kleineren gleiten, um den Jungen seines Herzens weiter an ihn heran zu ziehen und ihren Kuss so lang wie nur möglich zu erhalten.
Keuchend lösten sie sich voneinander und sahen sich letztlich tief in die Augen. Blau traf auf Braun. Schweigend sahen sich sich einfach nur an. Lan konnte die Glückseligkeit in Miquels Blick sehen, was ihn ziemlich verlegen machte, doch genau diese Glückseligkeit war es, die dem Rothaarigen bewusst werden ließ, was er da gerade getan hatte! Er hatte Miquel geküsst! Freiwillig. Er hatte es nicht getan, um ihn bloß zu stellen. Er hatte es getan, weil er es so wollte! Dabei konnte er noch nicht einmal sagen warum er es wollte, geschweige den die ganze Sache auf Alkohol schieben!
Wie ein Fisch an Land bewegte der Jüngere seinen Mund, doch kein Ton verließ diesen. Er wollte etwas zu Miquel sagen, doch was sagte man jemand, den man geküsste hatte, bei dem man wusste, dass er in einem verliebt war und man selbst keine Ahnung hatte warum man es getan hatte? Lan wusste es nicht!
(Anmerkung: Die Band Peraza gibt es wirklich. Es ist eine Spanische Band aus Madrid.)
Lange verharrte der Blonde unter der Dusche. Die meiste Zeit saß er auf den kalten Fließen, lauschte dem Plätschern des Wassers und dachte nach. Noch immer konnte er das Stechen in seiner Brust spüren, das dieser so einfache Satz von Lan ausgelöst hatte. Er war mittlerweile sogar kurz davor sein ganzes Bemühen aufzugeben!! Auch wenn alles in ihm für Lan entflammt war konnte er diese ständigen Schläge ins Gesicht nicht mehr ertragen! Er wollte sich nicht von einem Menschen so kaputt machen lassen. Er würde die ganze Sache dem Zufall überlassen. Wenn der nächste Tag mit Lan mit etwas erfreulichem würde enden, dann würde er sich weiterhin voll und ganz auf die Sache einlassen und kämpfen bis er den Rotschopf endlich als seinen Freund bezeichnen konnte, doch würde der Tag in einem Desaster enden oder für ihn wieder ein Stich ins Herz sein würde er die ganze Sache endgültig auf Eis legen und sich wieder voll und ganz seiner Schauspielerei widmen.
Mit diesen mit sich selbst geschlossenen Kompromiss stieg Miquel aus der Dusche und griff nach einen Handtuch. Er würde sehen wie die Sache sich entwickelte und natürlich hoffte er für sich selbst das Beste!!!
Mit einen Handtuch um die Hüften begab er sich in Richtung Wohnzimmer. Sein Blick glitt durch den Raum. Weder seine Schwester, sein Bruder noch Lan waren da! Das seine Eltern nicht da waren war nicht so verwunderlich, immerhin arbeiteten die Beiden. Seufzend ließ er sich auf der Couch nieder. Wenn keiner da war musste er sich auch nichts anziehen! Seine Hand glitt zur Fernbedienung und er stellte den Wunderkasten an. Es war immerhin, Miquel blickte zur Uhr an der Wand, gleich vier Uhr Nachmittags, das hieß, dass gleiche seine Lieblingssendung laufen würde. Normalerweise sah er sich diese jeden Tag mit seinen Bruder an – er war auch der einzige in der Familie der neben ihm den Humor dieser Serie verstand – doch Enrique schien nicht hier zu sein.
Eine Stunde lang amüsierte sich der Spanier köstlich. Dieser Humor er war so einzigartig und erstklassig. Die Serie lief aus und der Blonde gähnte herzhaft. Er würde es sich gemütlich machen und etwas vor sich hin dösen. Gesagt getan, schon war er im reich der Träume verschwunden, doch aus dem leichten dösen wurde ein fester Schlaf.
Lachend betraten Lan, Isabella und Enrique die Wohnung der Marquez. Sie waren spontan alle zusammen ins Kino gegangen. Enrique hatte die Lust gepackt und so hatte er alle, die in der Wohnung waren gefragt ob sie mitkommen würden. Alle, alle außer Miquel, denn Enrique war zu faul gewesen bis zum Bad zu gehen und ihn zu Fragen. Zum Bad, das direkt neben der Wohnungstür war. Aber der Blonde hatte noch einen anderen Grund gehabt um Miquel nicht zu fragen: Er war der Einzige der drei Geschwister, der kochen konnte.
Mit einem starken Hungergefühl reckte Enrique die Nase in die Höhe um zu erraten, was sein Hermano in seiner Abwesenheit wohl gezaubert hatte, immerhin würden ihre Eltern in einer halben Stunde da sein und dann sollte – so lautete die Abmachung – immer etwas warmes auf dem Tisch stehen. Doch er roch nichts! Hieß das etwa Miquel hatte nicht gekocht? Was hatte er dann in den letzten Stunden gemacht? Und wo steckte er jetzt?
Murrend lief Enrique tiefer in die Wohnung. Sah in die Küche und in das Zimmer seines Bruders, doch da war niemand. Letztlich nahm er sich das Wohnzimmer vor und fand seinen Bruder schlafend. Der Ältere schob eine Augenbraue nach oben und knurrte leise. Da nahm er seinen kleinen Bruder schon extra nicht mit ins Kino und was tat der währenddessen? Er machte sich einen Lenz und hielt es nicht mal nötig zu kochen! „Miquel!“, fuhr er seinen Bruder an, der vor Schreck beinah von der Couch fiel. Verschlafen und verwirrt blickte er in die Iriden seinen Hermanos. „Was ist los?“, fragte er in seiner Muttersprache und gähnte herzhaft. „Warum zum Teufel liegst du hier und schläfst? Unsere Eltern kommen bald! Du hättest schon lang kochen können!“, zischte Enrique und machte dabei auch vom spanisch Gebrauch. „Ich war vorhin trainieren! Tut mir ja Leid, dass ich daraufhin ausgepowert war! Außerdem hätten du oder Isabella auch kochen können!“ - „Wie denn? Ich hab doch alle zum Kino eingeladen!“ - „Alle? Mich nicht!“ - „Na das hatte seinen Grund! Du solltest kochen, was du aber nicht getan hast! Also schwinge deinen Hintern jetzt in die Küche und mach was! Ich hab Hunger!“ - „Träum weiter!“, zischte der Jüngere und begab sich in sein Zimmer, wobei er seine Schwester und Lan passierte. Was zur Hölle war er? Der Koch? Enrique hätte auch auf die Idee kommen können was beim Boten zu bestellen oder einfach etwas mitzubringen, wenn er so oder so zu viel Geld hatte.
„Was haben sie gesagt?!“, fragte Lan seine beste Freundin. „Ach Enrique hat sich nur beschwert, dass Miquel nicht gekocht hat.“ - „Das kann ich ja tun!“, warf der Rotschopf ein und lächelte. „Lan!“, hauchte Enrique ihm plötzlich sinnlich ins Ohr und hob den Kleineren hoch und trug ihn sofort in Richtung Küche. „Na dann leg mal los!“, sprach er als ihn vor dem Herd abgesetzt hatte. „Madre und Padre kommen bald, bis dahin musst du fertig sein!“ - „Eh.. okay?!“, antworte Lan und fühlte sich etwas überrumpelt. Er hatte nicht erwartete so schnell hinter dem Herd zu stehen, aber okay, dann kochte er eben!
Juanita und Manuel Marquez betraten die Wohnung und der Geruch von Essen schlug ihnen entgegen, doch es war nicht der übliche Duft, der nach Heimat roch, es ein typisch amerikanischer Essensgeruch. Miquel hatte dieses mal nicht gekocht, dass war klar.
Neugierig blickte Juanita in die Küche und lächelte als sie die Person hinter dem Herd erblickte. „Wusste ich doch, dass du heute gekocht hast!“ Lan sah auf und erwiderte das Lächeln. „Ist gleich fertig, ihr könnt euch ruhig schon mal setzten!“ - „Brauchst du Hilfe?“ - „Nein, nein. Ich bin gleich fertig!“
Die gesamte Familie Marquez und Lan aßen das was der Rothaarige gekochte hatte. Die gesamte Familie? Nein, wieder einmal war es Miquel der fehlte. Dieser war noch immer auf seinen Zimmer, da ihn keiner darüber informiert hatte, dass es Abendbrot gab. Als alle satt waren und sich einfach nur noch unterhielten stieß auch Miquel zu ihnen in die Küche, der gleich erstmal eine Augenbraue nach oben zog. Doch bevor irgendwer etwas zu ihm sagen konnte machte er auf dem Absatz kehrt und ging zurück in sein Zimmer.
„Miquel ist gar nicht bei Camilo!“, fragte Mutter Marquez und sah in die Runde. „Nein, hat auch niemand behauptet.“, antwortete Isabella und sah ihre Mutter an. „Warum hat er dann nicht mit gegessen?!“, zischte die Frau und erhob sich um ihren Mittleren aus dem restlichen Essen noch etwas herzurichten, doch hatten sie so viel gegessen, das die sich ergebende Portion lächerlich gering war.
Seufzend ging Madre zum Zimmer ihres Sohnes, klopfte an ehe sie in den Raum trat und damit das freudige Gelächter aus der Küche mit in hinein brachte. „Was gibt’s Madre?!“, fragte der Blonde, der auf den Bett lag und zu seiner Mutter sah. „Ich wollte dir noch etwas zu Essen bringen. Nach diesem Missverständnis!“, sprach sie sanft lächelnd und trat näher zum Bett heran. „Danke, Madre, aber ich hab keinen Hunger.“ - „Miquel, du musst aber was essen!“ - „Später, wenn ich dann Hunger habe...“ Seufzend stellte sie den Teller auf den Nachtschrank und wand sich zur Tür zu, an der sie noch einmal kurz inne hielt. „Lan hat gekocht, nur damit du es weißt...“, mit diesen Worten verließ sie den Raum und Miquel seufzte. Sein Magen knurrte laut und wollte dem Blonden damit sagen, dass er doch einfach nach dem Essen greifen sollte, doch er drehte sich nur genervt zur Seite und kehrte dem Essen damit den Rücken. Langsam reichte es ihm wirklich! Warum war er eigentlich immer derjenige der zurückgelassen, vergessen oder nicht gewollt wurde?
Das Essen unbeachtet verließ er sein Zimmer, passierte kurz die Küche, verkündete, dass er noch mal weg ging und zog sich Schuhe an. Er würde halt einfach zu Camilo flüchten, wäre ja nicht das erste Mal.
„Schmeckt dir mein Essen nicht?!“, ertönte Lans Stimme hinter ihm, als er die Wohnung gerade verlassen wollte. „Ich hab es nicht mal probiert..“, antwortete Miquel und mied es dem Rotschopf anzusehen. Seine Laune war zu sehr am Boden, als das er sich jetzt auch noch mit Lan anlegen wollte. „Ach so... und deswegen rennst du jetzt weg?“ - „Ich will einfach nur zu meinen Cousin.“ - „Willst du ihn flach legen?“ Jetzt sah Miquel auf und musterte den Jüngeren. „Was? Denkst du von mir, dass ich dir nachrenne und gleichzeitig mit Camilo ins Bett steige?“ - „Ja, natürlich! Und nicht nur mit dem!“ - „Entschuldige, aber ich bin nicht Mitch!“ Das war zu viel für den Rotschopf, also ohrfeigte er Miquel so heftig wie er nur konnte. Der Blonde sah zum Boden und fühlte sich als würde eine Welt für ihn zerbrechen. „Danke... das war es dann...“, flüsterte er und wand sich zum gehen ab. Somit war sein für sich selbst gesetztes Ultimatum entschieden. Die Schauspielerei hatte gewonnen.
Verwirrt sah der Smith den Blonden hinterher. Wie das war es jetzt? Was meinte er damit?
Eine Woche war seit der Ohrfeige vergangen und Miquel hatte sich in der Zeit in seinem Verhalten grundlegend verändert. Er vermied es mit Lan länger als zehn Minuten zusammen in einem Raum zu sein und kam es vor, das sie doch einmal länger zusammen waren sprach er nur das Nötigste mit ihm. Er war im allgemein sehr viel distanzierter, so hatte er aufgehört um Lan zu werben oder gar mit ihm zu flirten.
Aber auch in anderen Punkten hatte er sein Verhalten geändert. Miquel verbrachte unheimlich viel Zeit in seinem Zimmer. Er kochte zwar für die Familie, aß aber nicht mit und auch Camilo gegenüber verhielt er sich, wie zum Rest seiner Familie auch, sehr distanziert.
Lan war von der ganzen Entwickelung alles anderes als begeistert. Irgendwie hatte es ihm gefallen so umworben zu werden. Gut er hatte sich andauernd darüber beschwert und sich Miquel gegenüber auch nicht gerade vorbildlich verhalten, doch dies ganze Aufmerksamkeit hatte er sehr genossen.
Schließlich hatte die Familie Marquez am Ende der Woche in einen Krisenrat zusammen gesetzt, an dem auch Lan und Camilo teilnahmen, um Miquels Entwicklung auszuwerten, der natürlich als einziger nicht anwesend war. Lan war sich jedoch nicht ganz sicher, was er dabei sollte.
„So kann es nicht mit ihm weitergehen!“, mit diesen Worten eröffnete Juanita die Runde und schlug mit der Faust auf den Tisch. Das Verhalten ihres mittleren Kindes macht ihr Sorgen. Miquel war kein Mensch, der sich von allen abkapselte, doch genau das Tat er im Moment. „Vielleicht sollte einfach Lan mit ihm reden? Vielleicht hat er einen besseren Draht zu ihm als wir!“, warf Manuel ein und sah zu dem betroffenen, der gleich mit einem: „Was? Warum gerade ich?“ antwortete. „Ich mein.. mit mir redet er in letzter Zeit doch auch nicht mehr sonderlich viel..“ Lan sah auf die Tischplatte vor ihm. Er war sicher nicht die Lösung des Problems. Er vermutete eher, dass er es war, der für den Zustand verantwortlich war. Deutlich hatte er noch das 'das war es dann' im Ohr, das Miquel nach der Ohrfeige zu ihm gesagt hatte.
„Ich bin Padres Meinung!“, sprach Enrique und sah zu dem besten Freund seiner Schwester. „Du kommst wohl noch am ehesten an Miquel heran, als irgendwer von uns. Zumal wir es alle schon probiert haben! Jeder auf seine Art und Weise.“ Enrique warf einen Blick zu Camilo, der laut Seufzte, denn auch dessen Bemühungen und süße Versprechungen waren an Miquel einfach nur abgeprallt. Auch wenn es besser war das nicht weiter im Detail zu besprechen, denn immerhin wussten ihre Eltern nichts von dem gelegentlichen Tête-à-tête der Beiden Cousins, was ja bekanntlich sehr, sehr vertraut war.
„Gut beschlossene Sache!“, grinste Juanita und erhob sich. Bestimmend zog sie den Rotschopf zu Miquels Zimmer, öffnete dieses und schubste ihn herein. „Was? NEIN!“, rief dieser, doch da war die Tür schon zu und abgeschlossen. „Das kannst du nicht tun! Hey!“, doch niemand antwortete ihm. Seufzend drehte der Rotschopf sich um und ließ seinen Blick schweifen. Miquel lag auf dem Bett, schrieb irgendetwas in ein Notizbuch und hörte über Kopfhörer Musik, also zumindest kein Wunder, dass er ihn noch nicht bemerkt hatte. Das war das erste Mal, dass Lan wirklich bewusst im Zimmer von Miquel war. Zwar war er immer mal kurz drin gewesen, doch er hatte sich nie wirklich die Zeit genommen sich bewusst umzusehen. Im fiel der kleine Fernseher auf, der am Fuße des Bettes stand, zusammen mit dem flachen DVD-Player und der handvoll DVD's, die auf ihm lagen.
Miquels Schreibtisch war ein reinstes Papierchaos von zerknüllten Papier und aufgeschlagenen Zeitungen. An seinen Wänden hingen Zeitungsausschnitte einer spanischen Zeitung, auf den schwarzweiß Bildern dazu Lan den Zimmereigentümer erkennen konnte und ein Poster der Band 'Pereza'. Noch nie hatte der Jünger von denen gehört, aber vielleicht gab es die ja auch nur in Europa und die waren nicht gut genug um über den großen Teich bis nach Amerika zu kommen, doch vielleicht sollte er sich an dieser Stelle nicht zu weit aus dem Fenster hängen.
Mut schöpfend näherte sich Lan dem Bett und wartete noch einen Moment, bis er Miquel anstupste. Dieser fuhr leicht zusammen, während er verwirrt auf den Jüngeren starrte. Er nahm die Kopfhörer aus den Ohren bevor er fragte: „Was gibt’s?“ - „Wie geht es dir?“ Lan war sich nicht sicher, was er sagen sollte, also versuchte er es mit Smalltalk. „Blendend!“, antwortete Miquel und kaum hatte er ausgesprochen knurrte sein Magen zur Untermalung. „Sieht mir aber nach Hunger aus...“, murmelte der Jüngere und ließ sich auf der Kante des Bettes nieder. „Ach was.“, war das einzige was der Blonde dazu sagte bevor er sich wieder seinen Aufzeichnungen zu wand. „Was ist das?!“, neugierig beugte sich der Kleinere näher zu dem Notizbuch, in dem Bereits eine Menge Zeitungsartikel und darüber hinaus auch noch zusätzliche Seiten eingeklebt wurden waren und somit auch näher zu Miquel.
„Der Anfang meines Lebenswerkes!“, antwortete der Marquez und sah zu Lan. Lan der lesen wollte was da stand stockte als er kein Wort entziffern konnte. War ja klar, dass es in spanisch geschrieben war! Gerade jetzt wünschte sich der Rotschopf, dass er mal in der Schule besser aufgepasst und nicht die ganze Zeit nur seinen Spanischlehrer angestarrt hätte.
„Lan... was willst du hier?!“, fragte Miquel der sich keinen Reim darauf machen konnte, was der Jüngere hier zu wollen schien. „Mit dir reden... zumindest soll ich das.. und irgendwie bleibt mir auch keine anderes Wahl.. ich.. wir.. sind eingeschlossen!“ - „Madre?!“ - „Ja..“ Miquel stöhnte genervt auf. Das war ja mal wieder so typisch seine Mutter!
„Dann sitzen wir hier die nächsten Stunden fest...“ Der Blonde packte sein Notizbuch zusammen und wollte es zurück in den Nachtschrank legen, als ein Zettel heraus fiel. Lan konnte seinen Namen erkennen und bückte sich deswegen danach, doch Miquel war schneller als er und so streiften sich lediglich ihre Hände.
Erschrocken blickte der Jüngere Miquel an. Es war wie ein Stromschlag gewesen, als er ihn berührt hatte. Ein intensiver Stromschlag tief in seinem Herzen. Lan verstand das nicht. Wo kam das denn auf einmal her?
„Willst du was spielen? Ich hab Silent Hill hier oder eher ein Autobahnspiel? Ich hab auch noch Tekken zu bieten.“ Verdutzt sah Lan in die blauen Iriden. Hatte Miquel den Schlag denn nicht gespürt?
Und ob er ihn gespürt hatte, wie er ihn jedes Mal spürte wenn er Lan berührte. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals. Alles in ihm schrie nach Lan, nach einer weiteren Berührung. Er hatte versucht sich in der letzten Woche auf Abstand zuhalten, doch genutzt hatte es ihm gar nichts. Die Sehnsucht nach dem kleinen Rotschopf hatte ihn beinah aufgefressen. Er konnte nichts essen, nicht schlafen, geschweige denn auf irgendetwas konzentrieren. Statt seiner Notizen für Schauspielerei hatte er sich immer wieder dabei erwischt, wie er Lans Namen geschrieben hatte und vor zwei Tagen war er ihm sogar bis nach Hause gefolgt.
Er hatte nicht schlechte gestaunt, als er bemerkt hatte in welchen Verhältnissen Lan lebte. Er wohnte im reichsten Viertel der Stadt und noch dazu in einem riesigen Haus. Eigentlich hatte Miquel an dieser Stelle umdrehen wollen, doch die Neugier hatte hatte ihn näher heran getragen und so hatte er ihn aus einem Versteck heraus beobachtet und sogar herausgefunden, welches Zimmer Lans war. Die halbe Nacht hatte er einfach nur da gestanden und nach oben zu dem Fenster gestarrt. Als er schließlich in den frühen Morgenstunden nach hause gekommen war hatte Enrique ihn natürlich erwischt. Doch hatte er nicht mit dem Älteren reden wollen und war einfach nur zu Bett gegangen in dem er dann immerhin eine Stunde geschlafen hatte, bevor er zur Schule aufgebrochen war.
„Tekken klingt gut..“, murmelte Lan und musterte den Älteren, der die Konsole und das Spiel vorbereitete. Zu gern würde er wissen was auf dem Zettel gestanden hatte. Er hatte seinen Namen gelesen, da war er sich ganz sicher. Doch war er nicht dazu gekommen mehr zu lesen, zu schnell hatte der Marquez den Zettel weg genommen.
„Hier..“, Miquel reichte Lan den Controller und ließ sich selbst am Rand des Bettes nieder. Während der Blonde seinen Kämpfer bereits gewählte hatte, sah Lan den Älteren einfach nur an. Warum verhielt sich er sich ihm gegenüber plötzlich so anders? War es wirklich wegen der Ohrfeige? Nur deswegen?
„Bist du so.. anders... weil ich dich geohrfeigt habe?“, murmelte Lan und lenkte damit die Aufmerksamkeit des Blonden auf sich. „Nein, nein! Wähl deinen Spieler!“ - „Du lügst miserabel!“, murmelte Lan und sah in die Blauen Augen, die an ihm vorbei sahen. „Jetzt mach schon!“, beharrte der Blonde auf die Spielerauswahl und ignorierte dabei Lans Aussage „Ich mach ja schon...“, seufzte Lan und wählte seinen Spieler.
Sein Blick wanderte kurz danach wieder zu Miquel, der Stur auf dem Bildschirm starrte. Sie spielten eine geschlagene Stunde und keiner von ihnen sprach in dieser Zeit auch nur ein Wort. Lan besiegte Miquel mehrmals, doch richtig darüber freuen konnte er sich nicht. Der Blonde war es schließlich, der das Wort erhob: „Ich werde dir nicht mehr nachrennen. Ich hab kapiert, dass du mich nicht willst und mich auch nicht sonderlich leiden kannst. Also freue dich..“ - „Was?... aber...“ Miquel sah den Jüngeren an. „Warum so schockiert? Das ist doch das was du immer wolltest. Ich dachte du machst Freudensprünge...“ Lan stutzte. Ja, warum war er eigentlich nicht froh darüber? „Es.. ich.. Es tut dir aber nicht gut!“ - „Ich komm klar..“ Miquel seufzte ehe er den Blick ab wand. „Weißt du.. es ist verdammt schwer... dir so gegenüber zu sitzen... deine Gegenwart zu spüren...“, flüsterte er und seufzte erneut. „Und dann bist du auch noch so unbeschreiblich hübsch..“
Lan konnte spüren wie ihm die Röte in das Gesicht kroch. Dieses Kompliment machte ihn unheimlich verlegen. „Aber.. war das jetzt.. etwas keine Anmache?“ - „Nein.. nur ein einfaches Kompliment!“, lächelte der Blonde, hob zögernd seine Hand und strich dem kleinen schließlich über die Wange, zog sich aber gleich wieder zurück. Er musste sich jetzt zurück halten. Er wollte nicht über Lan herfallen, obwohl er wirklich geneigt dazu war es einfach zu tun. Er musste sich selbst beherrschen.
„Danke...“, flüsterte Lan und wollte Miquel auf die Wange küssen, doch dieser drehte gerade seinen Kopf und so legten sich ihre Lippen aufeinander. Der Kuss dauerte keine zwei Sekunden und war nicht mehr als eine flüchtige Berührung. „Tut mir Leid!“, rief Lan sofort und schlug sich schlagartig beide Hände auf den Mund. Er wollte Miquel nicht küssen. Es war ihm ausgesprochen peinlich, doch das war nicht der Grund warum sein Gesicht plötzlich noch röter war als zuvor. Noch etwas anderes beunruhigte ihn und trieb ihn die Charmesröte ins Gesicht. Es war der Gedanke Miquel erneut küssen zu wollen. Was war den nur mit ihm los? Lag es daran, dass Miquel ihn in den letzten Tagen so sehr ignoriert hatte? Weil ihm aus den Weg gegangen war und ihn nicht mehr mit seinen Gefühlen überschüttet hatte? Sehnte sich Lan deswegen jetzt danach? Nein, es lag daran, das der Rotschopf in den letzten Tagen, in der Zeit in der er dachte, dass Miquel hätte sich von ihm abgewandt, gemerkt hatte wie sehr er eigentlich jeden noch so kleinen Moment mit dem Marquez genoss. Zwar strengte er sich erst seit kurzem an Miquel in einem anderen Licht sehen zu wollen, doch in der kurzen Zeit gab es schon so viel wunderbare Momente, die er einfach nur genossen hatte.
Miquel leckte sich über die Lippen, ehe er lächelte. „Das ist mehr als ich mir je erhofft habe..“, flüsterte er und bot Lan einen weiteren Kampf an, den dieser stumm nickend an nahm.
Nachdem die Beiden sich nun schon geschlagene drei Stunden im Zimmer eingeschlossen befanden, lagen sie nun auf dem Bett und schauten eine DVD. Nach einer halben Stunde hatte Lan damit begonnen den Blonden zu beobachten. Mit welcher Hingabe der Ältere auf den Bildschirm sah. Wie seine Augen die Schauspieler fixierten und ihr tun analysierten. „Schauspielerei ist wirklich dein Traum, was?!“ Miquel sah auf und lächelte. „Mein Traum? Ja. Und wie! Und ich hoffe, das er auch in Erfüllung geht!“ - „Das ist wundervoll!“
Lan richtete sich leicht auf und sah Miquel in die Augen. Die Art und Weise wie der Blonde seine Ziele verfolgte beeindruckten ihn. Ihn war schon lange die Beharrlichkeit aufgefallen mit der an eine Sache heran ging. Noch nie hatte er den Marquez etwas halbherzig tun sehen, seit dem er ihn kannte. Langsam beugte Lan nach vorn und legte seine Lippen zaghaft auf die von Miquel.
Ungläubig weiteten sich die Augen des Älteren. Träumte er gerade? Er musste träumen, denn er kannte diesen Traum nur zu gut! Instinktiv erwiderte der Blinden den Kuss. Es konnte die erste und letzte Gelegenheit sein, die sich ihm bot einen richtigen Kuss von Lan zu ergattern. Lan schnurrte, als Miquel begann den Kuss aufzunehmen. Der Ältere beugte sich ihm entgegen, ließ seine Hand langsam in den Nacken des Kleineren gleiten, um den Jungen seines Herzens weiter an ihn heran zu ziehen und ihren Kuss so lang wie nur möglich zu erhalten.
Keuchend lösten sie sich voneinander und sahen sich letztlich tief in die Augen. Blau traf auf Braun. Schweigend sahen sich sich einfach nur an. Lan konnte die Glückseligkeit in Miquels Blick sehen, was ihn ziemlich verlegen machte, doch genau diese Glückseligkeit war es, die dem Rothaarigen bewusst werden ließ, was er da gerade getan hatte! Er hatte Miquel geküsst! Freiwillig. Er hatte es nicht getan, um ihn bloß zu stellen. Er hatte es getan, weil er es so wollte! Dabei konnte er noch nicht einmal sagen warum er es wollte, geschweige den die ganze Sache auf Alkohol schieben!
Wie ein Fisch an Land bewegte der Jüngere seinen Mund, doch kein Ton verließ diesen. Er wollte etwas zu Miquel sagen, doch was sagte man jemand, den man geküsste hatte, bei dem man wusste, dass er in einem verliebt war und man selbst keine Ahnung hatte warum man es getan hatte? Lan wusste es nicht!
(Anmerkung: Die Band Peraza gibt es wirklich. Es ist eine Spanische Band aus Madrid.)